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Grußwort zum Euro von Klaus Regling

ESM

Klaus Regling, ESM Geschäftsführender Direktor
Grußwort zum Euro
6. European Dinner der Europa Konferenz
München, 13 Februar 2020

(Es gilt das gesprochene Wort)
 
Guten Abend,
 
meine sehr verehrten Damen und Herren,
 
Ich denke, bei einem 6. „European Dinner“ der Münchener Europa Konferenz sollte auch etwas zum Euro gesagt werden. Als mich Theo Waigel fragte, ob ich das tun wolle, habe ich sofort zugesagt.
 
Es ist eine meiner Lieblingsaufgaben über den Euro zu reden.
 
Und es wird derzeit nicht mehr so viel über den Euro gesprochen oder geschrieben wie noch vor 6, 8 oder 10 Jahren.
 
Das ist einerseits gut. Es ist ein Zeichen, dass wir die Eurokrise weit hinter uns gelassen haben. Und es zeigt, dass andere Probleme im Augenblick im Vordergrund stehen.
 
Andererseits ist es bedauerlich, dass – vor allem in Deutschland – so wenig über den Euro und unsere Währungsunion geredet wird. In unseren Nachbarländern geschieht dies viel mehr.
 
Zudem werde ich oft von Investoren gefragt, warum die letzten wichtigen Schritte, die Währungsunion noch krisenfester zu machen, nicht vorankommen.
 
Es ist viel geschehen in den letzten 10 Jahren. Und es besteht kein Zweifel: Wir haben die Krise überwunden.
 
Die Reaktion der Euro-Länder auf die globale Finanzkrise und die darauffolgende Eurokrise war umfassend und effektiv. Sie bestand aus vier Maßnahmen, die zusammen die Krise beendet haben.
 
Erstens, tiefe und schwierige Reformen in den Euro-Ländern, die finanzielle Unterstützung erhielten.
 
Zweitens, die unkonventionelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
 
Drittens, eine strengere und umfassendere Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene.
 
Und viertens, eine erhebliche Stärkung der institutionellen Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU).
 
Mit dem Beginn der Bankenunion wurden der Einheitliche Aufsichtsmechanismus und der Bankenabwicklungsmechanismus geschaffen.
 
Nicht zuletzt wurde mit der Einrichtung der beiden Rettungsfonds, des vorläufigen EFSF und des ständigen ESM, eine Lücke in der Architektur der WWU geschlossen.
 
Der ESM war nicht Teil des ursprünglichen institutionellen Geflechtes der WWU. Es gab keine Letztabsicherung für Länder des Euroraums, keinen sogenannten lender of last resort für Staaten. Zu Beginn der WWU war es unvorstellbar, dass ein Land des Währungsraums den Zugang zum Markt verlieren könnte, nachdem es die Hürden zur Aufnahme in die Währungsunion überwunden hatte.
 
Der ESM hat sich als eine permanente Institution mit ausreichenden finanziellen Mitteln bewährt. Kredite gibt es nur gegen strenge Reformauflagen. Dies hilft den Ländern, einerseits die Probleme zu überwinden, die den Verlust des Marktzugangs herbeigeführt haben. Und anderseits hilft es ihnen, zu einer langfristigen wirtschaftlichen Stabilität zurückzukehren.
 
Um die Programme zu finanzieren, begibt der ESM auf den Märkten Anleihen. Wir benutzen dabei nicht – wie zumindest früher oft falsch behauptet wurde – Steuergelder.
 
In den letzten acht Jahren haben beide Rettungsfonds rund 300 Milliarden Euro an fünf Länder ausgezahlt: Irland, Griechenland, Spanien, Zypern und Portugal. Damit wurden den Regierungen wichtige Finanzmittel zur Verfügung gestellt, ohne die einige der Länder wahrscheinlich gezwungen gewesen wären, den Euroraum zu verlassen. Wenn das passiert wäre, würde Europa heute anders aussehen.
 
Die Länder profitieren von Haushaltseinsparungen, weil unsere Darlehen sehr lange Laufzeiten und sehr niedrige Zinssätze haben. Der griechische Haushalt sparte im vergangenen Jahr beispielsweise rund 13 Milliarden Euro, was 7% der griechischen Wirtschaftsleistung entspricht. Griechenland wird von diesen Einsparungen noch viele Jahre profitieren. Und zwar ohne Kosten für den deutschen Steuerzahler.
 
Heute ist die Währungsunion besser für zukünftige Krisen gerüstet als vor zehn Jahren. Wir haben keine nennenswerten makroökonomischen Ungleichgewichte im Euroraum, es gibt neue Institutionen, die EZB verfügt über zusätzliche Instrumente, wir haben eine wirtschaftspolitische Koordinierung, und wir haben etliche Jahre mit gutem Wachstum erlebt. Dabei haben die Länder, die vom ESM Hilfskredite bekommen haben, und deshalb besonders viele Reformen umgesetzt haben, inzwischen die höchsten Wachstumsraten in Europa.
 
Man kann also ein klares, positives Fazit ziehen: die Eurorettung, so holprig und schmerzhaft sie auch war, hat funktioniert.
 
Warum sollte man dann über weitere Schritte zur Vertiefung der WWU nachdenken? Nur weil der französische Präsident das vorschlägt? Nein, sondern weil mit einigen zusätzlichen Schritten die WWU noch widerstandsfähiger, noch weniger krisenanfällig gemacht werden könnte. Weil damit die internationale Rolle des Euro gestärkt würde. Und weil wir damit ein Stück Unabhängigkeit von den USA und China aufbauen könnten. Die europäische Souveränität könnte gestärkt werden. Ich finde, dies sind alles gute Gründe.
 
Zur Vertiefung der Währungsunion gehört zum einen ein erweitertes Mandat des ESM. Darüber besteht weitgehende Einigkeit unter den 19 Euro-Ländern.
 
In Zukunft wird der ESM stärker in die Gestaltung, Verhandlung und Überwachung von Krisenprogrammen einbezogen. Wir werden dies gemeinsam mit der Europäischen Kommission tun.
 
Der ESM wird auch eine Kreditlinie für den Bankenabwicklungsfonds bereitstellen – das ist wichtig für die Vollendung der Bankenunion – und seine Kreditinstrumente überarbeiten.
 
Auch über die Einrichtung eines kleinen Eurobudgets besteht Einigkeit.
 
Bei zwei anderen Themen zur Vertiefung der WWU verläuft die Debatte dagegen recht kontrovers. Und es wird noch einige Zeit dauern, bis wir einen Konsens erreichen können.
 
Erstens, brauchen wir zur Vollendung der Bankenunion eine gemeinsame Einlagensicherung. Mit einem identischen Einlagenschutz im gesamten Währungsraum und einer schwächeren Verbindung zwischen Banken und Staaten, würde die finanzielle Fragmentierung abnehmen, und damit auch das Risiko, dass die Banken in eine Krise geraten. Das Risiko eines bank runs würde es praktisch nicht mehr geben.
 
Hätten wir in den letzten zehn Jahren eine europäische Einlagensicherung gehabt, hätten alle ESM-Programme wesentlich kleiner sein können. Natürlich müssen erst Altlasten in einigen Bankbilanzen weiter abgebaut werden, um den Schritten zu einer gemeinsamen Einlagensicherung gehen zu können.
 
Zweitens wäre eine fiskalische Kapazität zur makroökonomischen Stabilisierung im Euroraum sehr nützlich. Dies ist ein sehr kontroverses Thema unter den Mitgliedstaaten des Euroraums. Aber meiner Meinung nach ist dies ein Schlüsselelement, das in der Architektur der WWU noch fehlt.
 
Eine fiskalische Kapazität wäre nützlich, weil die Länder einer Währungsunion zwei wichtige makroökonomische Politikinstrumente aufgegeben haben: die Geldpolitik und die Wechselkurspolitik. Das kann den Einsatz des verbleibenden Instruments, der Fiskalpolitik, häufiger erfordern als früher.
 
Darüber hinaus fehlt in Europa die stabilisierende Wirkung einer gemeinsamem Steuer- und Sozialpolitik, von der die USA profitiert. Das kann durch neue fiskalische Instrumente kompensiert werden.
 
Es liegen mehrere Vorschläge hierzu auf dem Tisch. Ein Vorschlag zur Investitionsstabilisierung von der Europäischen Kommission, für einen rainy day fund vom Internationalen Währungsfonds, vom deutschen Finanzminister Olaf Scholz, der eine Rückversicherung der nationalen Arbeitslosenversicherungen vorgeschlagen hat. Kurzfristigere ESM-Kredite wären auch vorstellbar.
 
Diese Vorschläge klingen sehr unterschiedlich, haben aber alle dasselbe Ziel: eine rechtzeitige Stabilisierung unterschiedlicher Konjunkturzyklen – damit kleine Probleme sich nicht zu großen Problemen entwickeln. Und alle diese Vorschläge können so konzipiert werden, dass sie nicht zu Transfers führen.
 
Ich kenne die Skepsis der deutschen Öffentlichkeit gegenüber diesen Vorschlägen. Das entmutigt mich aber nicht. Vor 8 oder 9 Jahren gab es noch mehr Skepsis hinsichtlich der Eurorettung und gegenüber der Arbeit des ESM. Hyperinflation und riesige Haushaltsbelastungen wurden prophezeit. Das ist nicht eingetreten.
 
Ich finde es sehr ermutigend, dass heute mehr als ¾ der Bevölkerung den Euro unterstützt. Die höchste Zustimmungsrate seit Beginn der WWU. Das ist ein guter Grund, die WWU zu vollenden.
 
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
  
 
Referenzen:
ESM (2020), Regling’s Take: Why we need to boost the euro’s international role https://www.esm.europa.eu/blog/regling%E2%80%99s-take-why-we-need-boost-euro%E2%80%99s-international-role
Europäische Kommission (2019), Eurobarometer 481 https://ec.europa.eu/info/news/eurobarometer-481-europeans-show-record-support-euro-2019-nov-29_en
 

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