Pierre Gramegna im Interview mit der ARD

Transkript des Interviews mit Pierre Gramegna, Geschäftsführer des ESM
ARD, 15. Mai 2025
Interviewer: Samir Ibrahim
Originalsprache: Deutsch
Samir Ibrahim: Der ESM ist da: an der Deutschen Börse, genauer bei Eurex. Und das wird hier ein bisschen gefeiert. Und dieser ESM, das ist eine Institution, die geschaffen worden ist, Geld zur Verfügung zu stellen für Notlagen, eigentlich geboren nach der Finanzkrise, nachdem Griechenland gerettet werden musste, vorher die Banken gerettet werden mussten und danach ganze Staaten und der Euro unter Druck geraten sind. Und ich darf jetzt Pierre Gramegna bei mir begrüßen, ehemaliger luxemburgischer Finanzminister und Chef des ESM. Bonjour Monsieur.
Pierre Gramegna: Bonjour, guten Tag.
Danke, dass Sie schnell noch vorbeigekommen sind. Eben standen Sie noch auf der Bühne, haben eine Rede kurz gehalten. Vielleicht können Sie uns kurz erläutern, was Sie hier tun. Der ESM, den gibt es schon länger. Die Krise ist im Prinzip in den Köpfen der Menschen längst vorbei. Warum braucht es den ESM noch?
Also, zum ersten bin ich hier, weil wir hier eine „Ringing the Bell“-Feier hatten. Und was haben wir gefeiert? Dass wir heute zum ersten Mal hier an der Deutschen Börse das Abwickeln unserer Derivategeschäfte für Zinsen hier in Frankfurt tun, zusammen mit unserem Partner Eurex. Und das ist ein Anliegen, das schon seit mehreren Jahren bestand, denn es geht darum, den Kapitalmarkt in der Eurozone zu stärken und diese Derivate hier in Europa, im Herzen Europas, abzuwickeln. Das ist eine sehr gute Nachricht. Das klingt vielleicht ein bisschen abstrakt, aber es ist sehr wichtig, wenn wir es ernst meinen, dass wir die Eurozone mit stärkeren Kapitalmärkten haben, und diese vertiefen wollen. Wir müssen das tun. Wir brauchen Wachstum und Innovation und das werden wir über solche Maßnahmen auf europäischer Ebene erhalten. Und wir sind ein bisschen ein Pionier darin, denn in einem Monat wird eine Regelung der EU kommen, die viele andere anspornen oder anregen muss, dass sie das auch tun.
Dann erklären Sie uns als Laien vielleicht, warum zur Eurex, warum zur Deutschen Börse?
Die meisten Geschäfte sind sonst immer außerhalb Europas gemacht worden. Und nachdem auch der Brexit geschehen ist, bestand auch ehrlicherweise eine Ambition in Europa, dass wir das hier in Europa tun sollten. Und wir haben das ernst genommen und wir haben einige Jahre darauf gearbeitet, das jetzt fertigzubringen. Der europäische Stabilitätsmechanismus ist ja der Rettungsschirm der EU. Wir haben fast 300 Milliarden Euro Anleihen auf den Märkten, die wir getätigt haben, fünf Länder unter die Arme zu greifen in den letzten Jahren. Und die (Kredite) refinanzieren wir regelmäßig. Wir sind also ein sehr wichtiger Partner und wollten damit unserer Rolle gerecht werden, dass wir alles tun, Europa stärker zu machen.
Können Sie uns sagen, wie groß der Bedarf an Unterstützung noch ist? Die letzten Daten, wenn man so sieht, sind ja Jahre her, dass da Staaten sich Geld geliehen haben.
Ja, das ist in der letzten Griechenlandkrise oder Eurozonekrise geschehen.
Spanien mit den Banken?
Ja, Spanien, Irland, Portugal, Zypern und natürlich Griechenland. Ich glaube, zuerst muss man sagen, dass der ESM jetzt keine neuen Programme hat machen müssen, ist an sich eine gute Nachricht, weil unsere Finanzlage in Europa stabiler geworden ist. Unsere Banken sind viel resilienter geworden, haben viel mehr Kapital, viel mehr Liquidität, sind gesünder und dadurch ist es natürlich viel ruhiger. Aber die Rolle des Europäischen Stabilitätsmechanismus als Rettungsschirm ist ja nicht, dass es unbedingt intervenieren muss und zum Einsatz kommen muss. Nein, er ist da, zu beruhigen, auch in Zeiten, wo kein Geld mobilisiert wird. Wir sind im Grunde wie eine Versicherung. Man ist froh, wenn man eine Versicherung gegen Feuer hat, wenn das Haus brennt. Dann ist man froh, eine Versicherung zu haben, aber man ist auch froh, eine Versicherung zu haben, wenn das Haus nicht brennt.
Sehr schönes Bild. Letzte Frage noch dazu. Diese Versicherung möchte sich ja eben auch Geld organisieren, indem sie das nachhaltig macht. Wie soll das gelingen?
Was meinen Sie mit nachhaltig?
Nachhaltig, dass man eben den Umweltschutz verstärkt, eben in den Bons auch. Ja, dem einen größeren Stellenwert zuweist, als das früher der Fall gewesen ist. Wie funktioniert das?
Das tun wir auch im ESM. Seitdem ich da bin, verstärken wir unsere Investitionen bei unserem einbezahlten Kapital in Klimaschutz oder nachhaltigen Anleihen, denn wir finden das wichtig. Und das ist das nicht nur für den Klimaschutz wichtig, es ist auch für die Nachhaltigkeit der Finanzen wichtig, denn sehr viele Risiken sind mit Klimaschutz verbunden, die oft unterschätzt werden. Also in der Natur sieht man, welche Katastrophen natürlich geschehen wegen des Klimawandels. Auf der anderen Seite hat das auch finanzielle Risiken. Zu einem großen Teil kann man das auch gar nicht absichern und es hat auch Konsequenzen für Anleihen in braune Assets, wo das natürlich Konsequenzen haben kann. Darum sind wir ein Befürworter von nachhaltigen Finanzen.
Der Chef des ESM, des Europäischen Stabilitätsmechanismus, der Europäischen Versicherung, wie wir gerade gelernt haben. Merci beaucoup.
Es war eine Freude. Danke schön.
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