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Interview bei Phoenix (Deutsch)

ESM
Rolf Strauch, ESM Chefvolkswirt
Interview bei Phoenix in der Sendung Phoenix Plus “Eurokrise beendet?”
27. August 2018
Interviewerin: Ina Baltes

Ina Baltes: Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass Griechenland jetzt wirtschaftlich auf eigenen Füßen wieder erstarkt?

Rolf Strauch: Ich bin da durchaus sehr zuversichtlich. Ich denke, dass das Programm wirklich eine gute Basis gelegt hat dafür, dass Griechenland - wie auch die anderen Länder, die mit dem ESM ein Programm hatten - in Zukunft eine der Erfolgsgeschichten Europas sein wird. Man muss ja sehen, dass in Griechenland die Situation zu Beginn des Programms sehr viel schwerwiegender war, problematischer war, als in den anderen Ländern. Und was im Verhältnis dazu in Griechenland erreicht wurde, ist durchaus sehr beachtlich. Die Erfolge, die man da jetzt sehen kann, sind, dass die Wirtschaft wieder belebt ist, der Haushalt weist einen Überschuss aus, die Zahlungsbilanz ist ausgeglichen, die Arbeitslosigkeit ist sicherlich noch hoch, aber sie geht zurück und Griechenland hat wieder an Konkurrenzfähigkeit gewonnen. In dem Sinne ist wirklich eine gute Grundlage gelegt. Und natürlich ist es jetzt wichtig, dass die griechische Regierung den Reformkurs weiterführt, und dass es hier keine Rückschritte gibt. Und dann glaube ich, hat Griechenland tatsächlich die Chance, auch eine dieser Erfolgsgeschichten zu werden, die wir in anderen Ländern wie Irland, Portugal und Spanien durchaus sehen.

Herr Strauch, es hieß ja, dass diese Krise die ganze Eurozone ins Wanken bringt, oder bringen kann. Im Nachhinein: war das übertrieben, oder standen wir da wirklich an so einer Art Abgrund?

Man muss schon sehen, dass die Krise sicherlich auch die Existenz des Euroraums bedroht hat, und dass es wichtig war, dass man dann ein großes Maßnahmenpaket insgesamt eingeführt hat. Und davon ist natürlich das Griechenlandpaket nur ein kleiner Teil. Da gibt es viel weitreichendere Maßnahmen, die insgesamt den Euroraum vertieft haben und die die institutionelle Ausstattung des Euroraums verbessert haben. Dazu gehören unter anderem die Gründung und die Bildung des ESM als Krisenmechanismus, der in solchen Situationen helfen kann, und der hier der Eurozone mehr Robustheit verleiht. Für Griechenland war es so, dass, wenn man die Problemlage am Anfang betrachtet, wie ich eben gesagt habe, sie sehr viel gravierender war als in anderen Fällen. Dazu gehört zum Beispiel ein Haushaltsdefizit von 15 Prozent, das jetzt in einen Haushaltsüberschuss überführt wurde. Dazu gehört ein großes Zahlungsbilanzdefizit, das ebenfalls jetzt fast ausgeglichen ist. Und das sind genau die Erfolge, die tatsächlich sehr viel helfen.

Herr Strauch, ich wollte noch mal auf den Verhandlungen zurückkommen, die mit Griechenland geführt wurden. Wie hat man sich das vorzustellen? Sie waren in der sogenannten Quadriga dabei, der ESM. Das waren die, die Verhandlungen mit Griechenland geführt haben. Waren das Verhandlungen auf Augenhöhe, hat man sich da ausgetauscht, oder war es so, wie die Griechen es oft vorgeworfen haben, dass Sie die Bestimmungen diktiert haben?

Das ist sicherlich nicht der Fall. Es ist grundsätzlich so, dass ein Programm bei dem ESM von einem Land beantragt wird. Und auch die Fortführung des Programms, die Vereinbarungen, die man trifft mit Bezug auf die Politikmaßnahmen, sind eine Übereinkunft zwischen dem Land und dem ESM. Da ist dann federführend die Europäische Kommission, die dieses sogenannte Memorandum of Understanding aushandelt. Das heißt ja ein gemeinsames Verständnis dessen, was man durchführen sollte, dass von beiden unterzeichnet, und auch von beiden akzeptiert und verhandelt wird. Das ist sehr wichtig, damit es eine gewisse ownership des Landes gibt, und darauf wird Wert gelegt. Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch harte Maßnahmen durchgeführt werden. Denn Programme bestehen aus Reformen und die Reformen sind genau das Rezept zum Erfolg.

Viele haben damals gesagt, Europa war schlecht vorbereitet auf die Griechenlandkrise, man hat Fehler gemacht. Haben Sie das Gefühl, dass das genauso wieder passieren könnte, oder ist man jetzt besser gerüstet?

Ich denke, dass man jetzt sicherlich besser gerüstet ist, auch deshalb, weil es den ESM gibt. Zu Beginn der Krise war Europa in der Tat nicht vorbereitet. Deshalb war es auch so, dass es zu Beginn der Krise notwendig war, den IWF mit an Bord zu nehmen. Den IWF an Bord zu nehmen finanziell, aber auch was die technische Expertise angeht. Über die Krise hinweg haben die Institutionen insgesamt gesehen gelernt, wie man mit solchen Fällen umgehen kann. Der ESM wurde gegründet, unsere Expertise ist im Laufe der Krise stärker geworden. Wir sind stärker in die Programme involviert worden, und ich denke, das bildet insgesamt gesehen eine wesentlich bessere Basis, in Zukunft auch mit Krisenländern umgehen zu können.

Was glauben Sie denn, Sie beobachten ja die Märkte, die Länder, wer könnte denn Ihr nächster Kunde sein, wenn ich das so salopp fragen darf?

Wir sehen aktuell keinen nächsten Kunden, und es ist auch nicht unsere Art darüber zu spekulieren. Insofern sind wir zunächst einmal sehr froh darüber, dass das Kapitel Griechenland, was eben noch eins der Kapitel der vergangenen Krise war, abgeschlossen werden konnte, und daraus sollten wir jetzt wirklich das Beste machen.

Wie weit können Sie angeschlagene Länder retten? Gibt es da irgendeine Grenze? Sie müssen irgendwo an Ihre Grenzen stoßen mit dem ESM. Wo liegen die?

Zunächst einmal möchte ich kurz auch betonen, dass ich denke, dass es guten Grund gibt, mehr Vertrauen in den Euro zu haben, und jetzt nicht pessimistisch in die Zukunft zu schauen. Das institutionelle Gefüge des Euroraums ist über die Krise sehr gestärkt worden. Und wir müssten ja auch sehen, dass aktuell die Wachstumsrate im Euroraum hoch ist. Wir wachsen über Potenzial, und das ist erst mal zu sehen, und das ist gut so. Sollte es noch mal zu einer Krise kommen, sind wir deshalb wesentlich besser aufgestellt. Wir sind auch besser aufgestellt, weil Verluste von Banken nicht einfach sozusagen auf den Steuerzahler überwälzt werden können. Das heißt, wir können viel besser mit Krisenfällen umgehen. Und insofern kann auch der ESM besser helfen. Momentan, als Teil dieser Diskussion um die Vertiefung des Euroraums, werden die Instrumente des ESM nochmal betrachtet, um sie effizienter zu machen. Aktuell ist es so, dass der ESM ein Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro an Krediten vergeben kann. Davon sind im Moment 400 Milliarden Euro noch frei. Sie stehen zur Verfügung, sollte es zu einer Krise kommen. Aber ich denke, der Euroraum steht jetzt stabiler da, und ist besser institutionell ausgestattet als vorher.
 
 
 

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