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Die Zukunft der Währungsunion und die Rolle des ESM

ESM
Klaus Regling, Geschäftsführender Direktor des ESM
„Die Zukunft der Währungsunion und die Rolle des ESM“
33. Internationales ZinsFORUM 2018
Frankfurt am Main, 26. November 2018
 
(Es gilt das gesprochene Wort)
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
auch von mir einen herzlichen Glückwunsch an die Gewinner der besten Zinsprognose für das Jahr 2018. Als ehemaliger Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission kenne ich die Bedeutung akkurater Prognosen. Und auch für die Arbeit des ESM sind verlässliche Prognosen von großem Wert.
 
Die Krisen der vergangenen Jahre waren jedoch – zumindest in ihrem Ausmaß – nicht wirklich prognostiziert worden. Und rückblickend wissen wir, Europa war 2008 nicht genügend auf die globale Finanzkrise vorbereitet. Wenig später mussten wir zudem die hausgemachte Eurokrise überwinden.
 
Daraus wurden Lehren gezogen. Regierungen, Zentralbanken, Banken, Aufseher, und andere Marktteilnehmer haben viel Energie und Ressourcen darauf verwendet, die finanziellen und wirtschaftlichen Grundlagen Europas, der Währungsunion und der einzelnen Mitgliedsstaaten zu stärken.
 
Heute ist die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) stärker als vor zehn Jahren. Wir haben die Krise nun hinter uns gelassen, die Wirtschaftslage ist insgesamt seit einiger Zeit gut – vor allem in den Ländern, die ESM Hilfskredite brauchten; sogar Griechenland hat im dritten Jahr in Folge eine schwarze Null. Wir können eigentlich mit Zuversicht in die Zukunft schauen.
 
Dennoch stellt sich die Frage: haben wir genug getan, um besser auf die nächste Krise vorbereitet zu sein? Funktioniert die Währungsunion wirklich gut genug, um die vom Euro erwartete Verbesserung der Lebensverhältnisse in allen Mitgliedsstaaten zu erreichen?
 
Kann Europa nicht unabhängiger werden, in einer Zeit, in der die Krisen um uns herum zuzunehmen scheinen, die gegenwärtige US-Regierung den Multilateralismus in Frage stellt und sich auch nicht scheut, den US-Dollar als „Waffe“ für politische Zwecke einzusetzen?
 
Der ESM ist geschaffen worden, um Europa bei Krisen zu helfen. Das haben wir ganz gut gemacht, denke ich. Aber gerade daher denken wir beim ESM auch über diese weitergehenden Fragen nach und sind an der Arbeit der Euro-Mitgliedsländer beteiligt, die Währungsunion weiter zu entwickeln.
 
Deshalb möchte ich darüber sprechen, warum und welche weiteren Schritte zur Vertiefung der Währungsunion sinnvoll sind. Wie die Währungsunion weniger krisenanfällig gemacht und wie die Rolle des Euro im internationalen Währungssystem gestärkt werden kann. 
 
1. Welche Schritte werden benötigt, um die WWU zu vertiefen?
 
Europa arbeitet derzeit an einer Reihe politischer Initiativen zur Vertiefung der Währungsunion. Es geht dabei um die Vollendung der Bankenunion, die Weiterentwicklung des ESM und Fiskalmechanismen.
 
Und es geht dabei darum, Krisenmechanismen zu stärken – vor allem die „Risikoteilung“ – ohne falsche Anreize zu setzen und ohne zusätzliche Transfers zu schaffen.
 
Die Vollendung der Bankenunion, besteht aus zwei Schritten:
 
Erstens, sollte eine Letztsicherung backstop für den einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) eingerichtet werden, damit der SRF im Falle einer sehr großen Krise über genügend finanzielle Ressourcen verfügt. Im Juni wurde beschlossen, dass der ESM den backstop für den SRF bereitstellen soll. Dies soll spätestens bis 2024 geschehen, oder früher, falls die Risiken in den Bilanzen europäischer Banken ausreichend reduziert worden sind.
 
Zweitens sollte eine europäische Einlagensicherung in Angriff genommen werden. Dies ist vor allem in Deutschland umstritten, hätte aber langfristig durchaus eine Reihe von Vorteilen.
 
Mit einer glaubwürdigen europäischen Einlagensicherung wären die Ängste der Sparer, dass sie ihre Einlagen eventuell nicht in Euro, sondern in einer neuen, nationalen Währung zurückbekommen könnten, hinfällig. Der Grund für nationale bank runs würde entfallen.
 
Eine gemeinsame Einlagensicherung würde dazu beitragen, den Einlagenschutz unabhängig vom Standort einer Bank zu gewährleisten. Und ist deshalb die beste Garantie dafür, dass sie praktisch nie genutzt wird. Kurz gesagt: Risikoteilung reduziert in diesem Fall Risiken.
 
Voraussetzung für die Einführung einer europäischen Einlagensicherung ist allerdings eine erhebliche Risikoreduzierung bei den Banken. Altlasten müssen zunächst abgebaut werden.
 
Dabei wurden durchaus Fortschritte erzielt:
 
Die Kernkapitalquote der europäischen Banken lag im Juni 2018 bei rund 16%. Und das Volumen notleidender Kredite sank im vergangenen Jahr im Euroraum insgesamt um rund 18%, in den Problemländern noch mehr.
 
Dieser Trend muss aber weitergeführt werden. Ebenso sollte der hohe Anteil heimischer Staatsanleihen in den Bankenbilanzen verringert werden.
 
Zusammen mit einer Kapitalmarktunion würde es eine europäische Einlagensicherung erleichtern, die heutige Fragmentierung der Finanzmärkte in Europa zu überwinden und einen einheitlichen europäischen Finanzmarkt zu schaffen.
 
Der Grad der Finanzmarktintegration in Europa liegt heute weit unter dem Stand von vor 10 Jahren. In der Währungsunion gibt es heute 19 nationale Märkte, nicht einen integrierten Markt. Das verhindert die „Risikoteilung“ über die Märkte, die in den USA so gut funktioniert und für eine quasi-automatische makroökonomische Stabilisierung sorgt.
 
Bei einem besser integrierten Finanz- und Bankenmarkt könnten auch die TARGET-Salden wieder sinken. Außerdem würde ein besser integrierter Finanzmarkt den monetären Transmechanismus im Euroraum verbessern. Das würde eventuell auch höhere EZB-Zinsen ermöglichen.
 
Ein anderes Thema zur Vertiefung der WWU, an dem intensiv gearbeitet wird, ist die Stärkung des ESM. Die Euroländer wollen das Mandat des ESM vertiefen und ausweiten. Folgende vier neue Aufgaben werden diskutiert:
 
Erstens, wie bereits erwähnt, soll der ESM spätestens ab 2024 den backstop für Bankenabwicklungen zur Verfügung stellen. Der backstop ist wie ein letztes Sicherheitsnetz im Falle einer Bankenkrise.
 
Zweitens wird der ESM eine stärkere Rolle bei künftigen Krisenprogrammen spielen. Natürlich gemeinsam mit der Europäischen Kommission. Das jetzige Gläubiger-Quartett, das aus der Troika entstanden ist, wird dann zum Tandem. Dabei werden natürlich die Zuständigkeiten der Kommission, die sich aus dem EU-Vertrag ergeben, respektiert.
 
Drittens wird der Instrumentenkasten des ESM überprüft, vor allem die vorsorglichen Instrumente.
 
Viertens gibt es Vorschläge, wie man bei Umschuldungen eine Beteiligung der privaten Gläubiger verbessern kann. Der ESM darf nur Kredite an Mitgliedstaaten vergeben, deren Schulden tragfähig sind. Das System hat sich in den letzten Jahren sehr „ad hoc“ entwickelt und sollte transparenter und berechenbarer werden.
 
Der ESM könnte hier eine Rolle übernehmen: wir würden eine Schuldentragfähigkeitsanalyse vorlegen, wenn ein Land einen Antrag auf einen ESM-Kredit stellt, und den Dialog zwischen dem Land und den Gläubigern moderieren.
 
Es gibt außerdem zahlreiche Vorschläge, fiskalische Instrumente zur makroökonomischen Stabilisierung und zur Konvergenz der Lebensverhältnisse einzuführen. In dieser Frage gibt es bislang unter den Euro-Mitgliedsstaaten noch keinen Konsens. Die Diskussion ist sehr kontrovers.
 
Zur Förderung der Konvergenz gibt es ja seit vielen Jahrzehnten den EU-Haushalt. Die Transfers über den EU-Haushalt zur Förderung der Konvergenz wurden nicht wegen des Euro geschaffen. Sie dienen aber auch der Konvergenz im Euroraum. Deshalb sehe ich nur einen begrenzten zusätzlichen Bedarf an Transfers zur Verbesserung der Konvergenz.
 
Deutschland und Frankreich haben in der letzten Woche einen Vorschlag für ein Eurobudget vorgelegt. Dieses soll im Rahmen des EU-Haushalts Wettbewerbsfähigkeit, Konvergenz und Stabilisierung fördern. Dies ist ein wichtiges Signal, weil es zeigt, dass die Diskussion über Fiskalmechanismen in der WWU vorankommt.
 
Ich halte vor allem zusätzliche Instrumente zur makroökonomischen Stabilisierung aus folgenden Gründen für sinnvoll:
 
Erstens, in einer Währungsunion fallen zwei makroökonomische Steuerungsinstrumente weg: die Geldpolitik und die Wechselkurspolitik. Als makroökonomisches Instrument, um bei Bedarf gegenzusteuern, bleibt also nur die Fiskalpolitik.
 
Zweitens wirkt die Geldpolitik in einem großen Wirtschaftsraum tendenziell immer pro-zyklisch. Regionen oder Länder mit hohem Wirtschaftswachstum und somit höherer Inflationsrate, haben tendenziell zu niedrige Realzinsen. Regionen und Länder mit niedrigem Wachstum haben tendenziell zu hohe Realzinsen. Wir sehen das in Europa genauso wie in den USA oder China. Das kann ein Grund sein, fiskalpolitisch gegenzusteuern.
 
Drittens, wie gesagt, ist die wirtschaftliche Risikoteilung im Euroraum viel weniger entwickelt als in den USA. Im Euroraum gibt es keine gemeinsamen Steuer- und Sozialversicherungssysteme, die permanent die Konjunkturzyklen wie in den US-Bundesstaaten stabilisieren.
 
Bevor ein fiskalisches Instrument zur makroökonomischen Stabilisierung im Euroraum benutzt wird, sollten alle Euro-Länder natürlich zuerst ihre nationalen fiskalischen Puffer nutzen. So sieht es der Stabilitäts- und Wachstumspakt vor. Diese Puffer müssen also als erstes aufgebaut werden. Aber diese nationalen Puffer könnten durch europäische Instrumente erweitert werden, um in einer Krise mehr fiskalischen Spielraum zu haben.
 
Wenn ich vom notwendigen Aufbau nationaler Fiskalpuffer spreche, denken viele von Ihnen vermutlich an Italien. Dort geschieht ja im Moment gerade das Gegenteil. Die Kommission hat dies zu Recht gerügt und den italienischen Haushaltsplan zurückgewiesen. Fortschritte bei der Vertiefung der WWU sind letztlich nur möglich, wenn alle Mitgliedsstaaten die gemeinsam vereinbarten Regeln einhalten. Aber trotz der aktuellen Probleme mit Italien müssen wir für die Zukunft planen.
 
Es gibt mehrere Vorschläge zur makroökonomischen Stabilisierung im Euroraum: Investitionsstabilisierung, Rückversicherung nationaler Arbeitslosensysteme, rainy day funds, kurzfristige ESM-Kredite. Alle diese Vorschläge dienen derselben Zielrichtung, nämlich der Risikoteilung zwischen den Mitgliedsstaaten im Euroraum. Dadurch kann vermieden werden, dass kleine Krisen sich zu großen Krisen ausweiten, bei denen der ESM zum Einsatz kommen müsste. Wichtig ist, alle diese Vorschläge könnten so konzipiert werden, dass sie nicht zu permanenten Transfers führen.
 
Alle Vorschläge, die zurzeit zur Vertiefung der Währungsunion auf politischer Ebene diskutiert werden, würden nach meiner Überzeugung den Euroraum robuster und weniger krisenanfällig machen. Eine besser funktionierende Währungsunion wäre aber auch ein entscheidender Beitrag, um die Rolle des Euro im internationalen Währungssystem zu stärken.
 
Von internationalen Anlegern, die ich regelmäßig auf den roadshows des ESM treffe, höre ich immer wieder Klagen über die Fragmentierung des europäischen Finanzmarktes. Und die Meinung, dass eine Währungsunion ohne eine Fiskalkapazität nicht komplett sei.
 
 
2. Internationale Rolle des Euro stärken
 
Derzeit erleben wir, wie die wichtigste Währung der Welt – der Dollar – zum Problem für die Weltwirtschaft werden kann. Das ist nicht neu, sondern ist das Ergebnis der dominierenden Rolle einer Währung im System.
 
Wenn diese Währung – sei es auch aus guten Gründen – ihre Zinsen erhöht und gleichzeitig aufwertet, geraten Unternehmen und eventuell ganze Länder, die sich zuvor in US-Dollar verschuldet haben, in Probleme.
 
Wir haben das in den 80er Jahren bei der lateinamerikanischen Schuldenkrise erlebt, in den 90er Jahren bei der Asienkrise und jetzt machen viele Schwellenländer wieder eine ähnliche Erfahrung. Darüber hinaus gibt es jetzt leider eine neue Erfahrung: die Trump-Regierung benutzt den Dollar zunehmend als Instrument für außenpolitische Ziele.
 
Ich denke, es ist deshalb jetzt an der Zeit, die internationale Rolle des Euro zu stärken. Zum einen, damit das internationale Währungssystem besser funktioniert. Zum anderen, um die Interessen Europas zu wahren.
 
Obwohl der Euro im Vergleich zum Dollar und Pfund eine junge Währung ist, ist er heute nach dem US-Dollar eindeutig die zweitwichtigste Währung der Welt. Fast ein Viertel der Währungsreserven werden in Euro gehalten.
 
Der Anteil des Euro an den weltweiten Zahlungen erreichte 2017 fast 36%. Ein Drittel der internationalen Anleihen lauten auf Euro. Rund 25% des internationalen Handels wird in Euro fakturiert. 60 Länder koppeln ihre Währungen an den Euro, einschließlich EU-Mitgliedstaaten wie Dänemark und Bulgarien.
 
Das Ziel kann nicht sein, den Dollar durch den Euro zu ersetzten. Das Ziel sollte vielmehr ein multipolares Währungssystem sein, in dem mehrere Währungen – sicherlich Dollar, Euro und Renminbi – eine vergleichbare Bedeutung haben.
 
Was müsste geschehen, damit der Euro im globalen System bedeutsamer werden kann?
 
Wir brauchen die zusätzlichen Schritte zur Vertiefung der Währungsunion, über die ich bereits gesprochen habe. Vor allem muss die Finanzmarktintegration in Europa wieder verstärkt werden. Ohne einen gut funktionierenden, liquiden Finanzmarkt kann der Euro nicht die starke Stellung im internationalen Währungssystem einnehmen, die der Dollar heute hat.
 
Die Finanzmärkte in Europa sind heute weit weniger liquide als in den Vereinigten Staaten. Die fehlende Tiefe und die Struktur des europäischen Finanzmarktes benachteiligen den Euro im internationalen Wettbewerb. Um dies zu verbessern, muss Europa die Fragmentierung in einer Reihe von Bereichen überwinden.
 
Dazu gehört die von mir bereits angesprochene Bankenunion und Kapitalmarktunion. Banken müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken, Overbanking oder Over-branching in einigen Ländern sollte reduziert werden, allein schon um die Profitabilität zu erhöhen, die der in den USA weit hinterher hinkt. Altlasten, wie notleidende Kredite, müssen weiter abgebaut werden.
 
Im Rahmen der Kapitalmarktunion wird an einer teilweisen Harmonisierung des Insolvenz-, Steuer- und Gesellschaftsrecht gearbeitet. Das ist technisch schwierig und wird Jahre dauern.
 
Aber eine echte Kapitalmarktunion würde den Weg für grenzüberschreitende Kapitalbeteiligungen erleichtern und den Unternehmen neue Finanzierungsmöglichkeiten eröffnen. Für internationale Anleger und Kreditgeber würde der Euro attraktiver.
 
All dies wäre deshalb wichtig, nicht nur für das gute Funktionieren der Währungsunion, sondern auch um die internationale Rolle des Euro zu stärken. Darüber hinaus muss aber auch die Infrastruktur des europäischen Finanzmarktes gestärkt und weiterentwickelt werden.
 
- Infrastruktur
 
Der Euroraum besitzt mit TARGET2 ein sehr effizientes System zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Mit der Einführung des TARGET Instant Payment Settlement – kurz TIPS – wird der nächste Schritt getan, die technische Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Euroraum weiter zu verbessern.
 
Im Bereich der Wertpapiere ist der Euroraum allerdings noch stark fragmentiert mit einer Vielzahl von nationalen Wertpapierverwahrern und verschiedenen internationalen Wertpapiersammelbanken. Das ist auch der Fall im Markt für öffentliche Schulden. All das macht es insbesondere für außereuropäische Investoren nicht immer leicht.
 
Im Primärmarkt könnte moderne Technologie genutzt werden, um die Begebung von Wertpapieren für Investoren, Banken und Emittenten effizienter und transparenter zu gestalten. Ein einheitliches System zur Begebung von Wertpapieren würde Investoren – gerade internationalen Investoren – mehr Transparenz bieten und ihnen den Zugang erleichtern.
 
Außerdem gibt es zahlreiche syndizierte Emissionen von Staaten, internationalen Einrichtungen und nationalen öffentlichen Stellen. Hierbei fällt auf, dass insbesondere der Primärmarkt technologisch noch in vielen Bereichen auf dem Stand der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ist.
 
In diesen Bereichen kann moderne Technologie genutzt werden, um die Begebung von Wertpapieren für Investoren, Banken und Emittenten effizienter und transparenter zu gestalten.
 
Ein einheitliches System zur Begebung von Wertpapieren, syndiziert und im Auktionsverfahren, würde Investoren mehr Transparenz bieten und ihnen den Zugang erleichtern.
 
In Verbindung mit einer zentralen Vernetzung der nationalen und internationalen Wertpapierverwahrer würde dies zu einer stärkeren Harmonisierung des Kapitalmarktes in Europa führen.
 
Der ESM ist diesbezüglich in Diskussion mir anderen öffentlichen Emittenten, internationalen Finanzinstitutionen, Investoren und Banken. Ein solches System könnte auch die Rolle des Euro als Reservewährung stärken.
 
Gleichzeitig ist es wichtig, dass öffentliche Emittenten eine zu große Abhängigkeit vermeiden, sowohl vom privaten Sektor als auch von außereuropäischen Anbietern. Nur so kann langfristig die Unabhängigkeit gewahrt werden.
 
Eine starke europäische Infrastruktur für Emittenten des öffentlichen Sektors wäre ein wichtiger Schritt zur Gewährleistung dieser langfristigen Unabhängigkeit. Dadurch könnten diese Emittenten unabhängig von der Entscheidungsfindung von Drittländern mit Kontinuität und Rechtssicherheit Kontakt zu Anlegern auf der ganzen Welt unterhalten.
 
- IT-Infrastruktur
 
Ein weiteres Thema ist, dass Europa seine Bemühungen verstärken sollte, die Abhängigkeit von einer kleinen Anzahl amerikanischer IT-Infrastrukturanbieter zu verringern. In diesem Bereich gibt es derzeit einen starken Trend zu Cloud-Diensten, auch im Finanzsektor. Dies ist nicht verwunderlich, da Cloud-Dienste viele Vorteile bieten, insbesondere bei Kosten und Skalierbarkeit.
 
Sie bergen aber auch Risiken. Eine der Hauptherausforderungen, auf die auch bereits die Europäischen Aufsichtsbehörden hingewiesen haben, ist die zunehmende Marktkonzentration. Der Markt wird dominiert von einigen wenigen US-Anbietern.
 
Ein wettbewerbsfähiger europäischer Anbieter ist nicht in Sicht. Diese Marktkonzentration auf wenige US-Anbieter birgt Systemrisiken und Datenschutzrisiken. Es kommt vermehrt zu single points of failure, bei deren Ausfall nicht nur einzelne Unternehmen betroffen sind, sondern es zu gesamtwirtschaftlichen Schocks kommen kann.
 
Im Bereich Datenschutz laufen die strengen EU-Regeln ins Leere, wenn die Daten bei nicht-EU Anbietern liegen, und die Heimatländer dieser Anbieter sich das Recht vorbehalten, auf diese Daten zuzugreifen – wie in diesem Frühjahr durch den US CLOUD ACT bestätigt.
 
Insbesondere in Zeiten des erstarkenden nationalen Protektionismus erscheint es bedenklich, sich für derart kritische Infrastrukturen in die Abhängigkeit weniger nicht-EU Anbieter zu begeben. Der strengere Datenschutz in Europa, manchmal lästig, kann auch ein Wettbewerbsvorteil sein. So wie ein Finanzplatz mit strenger Überwachung und Regulierung durchaus zusätzliche Geschäfte anlocken kann.
 
Wenn eines Tages der Euro eine wichtigere Rolle im internationalen Währungssystem spielt, wird vermutlich auch die EZB in Krisen eine stärkere Rolle gegenüber Drittländern übernehmen müssen. Während der globalen Finanzkrise vor zehn Jahren waren Swap-Linien der US-Notenbank mit einer Reihe von anderen Zentralbanken – wie zum Beispiel Japan, Korea, Mexiko, der EZB, England und der Schweiz – ein wichtiges Kriseninstrument. Viele dieser Verträge sind ausgelaufen. Und es wird auch befürchtet, dass der US-Kongress so etwas heute nicht mehr mittragen würde. Wenn der Euro im internationalen System wichtiger wird, sollte die EZB einen Teil dieser Verantwortung übernehmen. Bisher hat die EZB nur begrenzte SWAP-Vereinbarungen mit den anderen großen Zentralbanken der Welt vereinbart und mit den EU-Zentralbanken, die nicht dem Euroraum angehören.
 
  
3. Langfristige Vision: Safe-Asset
 
Es gibt einen letzten Punkt, der wichtig ist, wenn man über die langfristige Rolle des Euro im internationalen Währungssystem nachdenkt: safe assets. Safe assets wären grundsätzlich ein entscheidender Schritt zur Marktintegration und um den Euro für internationale Anleger attraktiver zu machen.
 
Anleihen der Bundesrepublik Deutschland sind heute das eigentliche safe asset des Euroraums. Daneben vielleicht noch Anleihen der Niederlande, Finnland, Österreichs und des ESM. Das reicht aber nicht, vor allem, wenn das Angebot deutscher Staatsanleihen kontinuierlich sinkt. Auf dem US-Markt ist das Volumen amerikanischer Staatsanleihen viel, viel grösser.
 
Für die Schaffung eines großen Marktes an safe assets im Euroraum gibt es kein Wundermittel. Akademiker haben kreative Vorschläge entwickelt, durch „financial engineering“ safe assets zu schaffen. Das ist grundsätzlich lobenswert, weil safe assets so hilfreich wären für die Finanzmarktintegration. Sie würden es auch europäischen Banken erleichtern, ihren Bestand an nationalen Staatsanleihen zu reduzieren und internationales Kapital nach Europa zu lenken.
 
Aber diese akademischen Versuche, ein safe asset zu kreieren, waren bisher nicht erfolgreich. Es wird wohl nichts darum herumführen, langfristig das Vertrauen der Euroländer in ihre jeweilige Haushaltspolitik zu stärken, so dass in ein oder zwei Jahrzehnten ein Teil der nationalen Schulden vergemeinschaftet werden kann.
 
Das wäre eine Art Krönung der WWU. Es gäbe dann eine vollständige Finanzmarktintegration und die internationale Rolle des Euro wäre ganz sicher viel bedeutsamer als heute.
 
Das mag optimistisch klingen. Gerade angesichts der aktuellen Entwicklung in Italien. Aber wenn man über die Zukunft nachdenkt, muss man von aktuellen Entwicklungen abstrahieren.
 
  
Abschluss
 
Lassen Sie mich abschließen.
 
Die WWU ist heute stärker als vor der Krise. Aber wir stehen vor neuen Herausforderungen und Risiken. Es ist deshalb wichtig, über weitere Schritte zur Vertiefung der WWU nachzudenken, um den Euroraum weniger krisenanfällig zu machen. Mit einer robusteren Währungsunion kann der Euro auch eine größere Rolle auf globaler Eben spielen.
 
Herzlichen Dank.
 
 
 

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