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Die Neuausrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus als Herzstück der Eurozonenreform

ESM
Würzburg, Germany

Rolf Strauch, ESM Chefökonom
„Die Neuausrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus als Herzstück der Eurozonenreform”[1]
25. Würzburger Europarechtstage
Würzburg, 20. Juli 2019

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Es ist für mich eine besondere Ehre, dass ich als Ökonom zu dieser Rechtstagung eingeladen wurde. Seit gestern haben Sie viele relevante und interessante Themen behandelt: von der Wertegemeinschaft, über Migration hin zum Brexit. Und nun schließe ich mit dem Thema der Banken- und Finanzkrise am Ende der Konferenz ab.

Um europäische Werte, insbesondere Solidarität, geht es auch bei der Arbeit des Europäischen Rettungsschirms ESM. Oft wird die Arbeit des ESM als ein Ausdruck “Europäischer Solidarität unter den Euro-Ländern“ angesehen.

Wie komme ich darauf? Ohne die Schaffung der beiden Rettungsschirme EFSF und ESM hätten frühere Programmländer wie Griechenland, Irland, Portugal und Zypern vermutlich die Währungsunion verlassen müssen.

Aber diese Solidarität gibt es nur mit der verbundenen „Konditionalität“: der ESMzahlt nur Darlehen aus, wenn das Empfängerland umfangreiche Reformen umsetzt. Insofern ist Solidarität nicht einseitig, sondern entfaltet sich in einem ausgewogenen Rahmen von Rechten und Pflichten.

Das Geld für die Darlehen wird von den Rettungsfonds am Markt aufgenommen. Mitgliedstaaten übernehmen insofern Risiken, als dass die nationalen Budgets bei Nicht-Rückzahlung haften. Aber die Programmländer müssen ihre Darlehen in vollem Umfang zurückzahlen, einschließlich der Zinsen.

Mit rund 80 Milliarden Euro hat der ESM das höchste eingezahlte Kapital von allen internationalen Finanzinstitutionen. Dies dient als Sicherheit für Investoren. Das eingezahlte Kapital ist der Grund, warum der ESM ein ausgezeichnetes Rating hat und am Markt nur niedrige Zinsen zahlen muss.

Die günstigen Finanzierungsbedingungen gibt der ESM an seine Kreditnehmer direkt weiter. Die niedrigen Zinsen verschaffen den jeweiligen Ländern erhebliche Haushaltsersparnisse: Griechenland hat dadurch zum Beispiel in 2018 rund 13 Milliarden Euro gespart. Das sind 7% der griechischen Wirtschaftsleistung. Diese Ersparnis wiederholt sich Jahr für Jahr.

Dies ist die Solidarität, von der ich zu Beginn meiner Rede sprach.

Seit 2011 haben die beiden Rettungsschirme an Irland, Portugal, Griechenland, Spanien und Zypern Darlehen von rund 295 Milliarden Euro vergeben.

Heute verzeichnen Irland, Portugal, Spanien und Zypern hohes Wachstum und rasch sinkende Arbeitslosigkeit. Und sie können sich wieder problemlos am Markt refinanzieren.

Erst Beginn dieser Woche war der Geschäftsführende Direktor Klaus Regling in Athen. Dort hatte er verschiedene Sitzungen mit der neuen griechischen Regierung gehabt. Klaus Regling hat auch den neuen Finanzminister Christos Staikouras getroffen. Wir werden weiterhin eng und konstruktiv mit der griechischen Regierung zusammenzuarbeiten.

2010 erfolgte die Gründung der temporären Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF. Zwei Jahre später wurde der permanente ESM geschaffen.

Der ESM wurde aus einem bestimmten Grund eingerichtet: er hat eine institutionelle Lücke im Euroraum geschlossen. Vor der Krise gab es im Euroraum keinen „Kreditgeber letzter Instanz für Länder“.

Die Rettungsschirme sind Bestandteil eines breiten Maßnahmenpakets, das in seinem Zusammenspiel erfolgreich war. Tiefgreifende Reformen in den Mitgliedstaaten, die Kredite von den Rettungsschirmen erhielten, haben deren Probleme weitgehend beseitigt. Die unkonventionelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) war als weiteres Element unabdingbar, um aus der Krise herauszukommen. Gleichzeitig wurde die Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf EU-Ebene deutlich verbessert. Und die institutionelle Architektur der Währungsunion wurde durch die Schaffung der Bankenunion und die Gründung der beiden Rettungsschirme erheblich gestärkt. Im Rahmen der Bankenunion wurden der Einheitliche Aufsichtsmechanismus SSM und der Einheitliche Abwicklungsmechanismus SRM geschaffen.

Wir befinden uns wirtschaftlich und politisch gerade in einer Umbruchsituation. In diesem Zusammenhang wird oft die Frage gestellt, ob wir für die nächste Krise gewappnet sind und welche weiteren Maßnahmen notwendig sind.

Die aktuelle wirtschaftliche Situation ist sicherlich von einer Eintrübung der Wachstumsaussichten gekennzeichnet, allerdings sehe ich derzeit keinen Anlass zu eindeutigen Rezessionserwartungen. Für 2019 bleibt die Wachstumsprognose für den Euroraum unverändert bei 1,2%. Für das kommende Jahr erwarten wir 1,4%. Diese Werte sind im Einklang mit der langfristigen Wachstumserwartung für den Euroraum. Die Inflation wird 2019 und 2020 aufgrund niedrigerer Ölpreise auf 1,3% prognostiziert.

Die Risiken bleiben allerdings weiterhin abwärtsgerichtet und beziehen sich auf eine mögliche weitere Eskalation der Handelsspannungen, eine Zunahme der politischen Unsicherheit, Bedenken hinsichtlich der mittelfristigen Aussichten in China, die jüngste Verschärfung der geopolitischen Spannungen im Nahen Osten und Brexit. Trotz allem sehe ich aber keine Rezession, sondern spreche von einer wirtschaftlichen Abkühlung.

Auch politisch befinden wir uns in einer Umbruchphase. Das europäische Parlament hat sich nach den Wahlen gerade neu konstituiert und nun wird auch die Leitung der europäischen Kommission neu besetzt.
Als nächstes werden beide Institutionen ihre Strategie für die kommenden Jahre bestimmen. Dabei können und sollten sie – aus meiner Sicht – den Prozess der Vertiefung der Währungsunion weiter vorantreiben und die begonnene Reformagenda zu Ende bringen.

Der ESM bleibt ein Herzstück dieser Reformagenda, die darüber hinaus auf die Vervollständigung der Bankenunion, der Kapitalmarktunion und die Einrichtung eines Euroraumbudgets beinhaltet.

Ich glaube, man wird die Vertiefung der Währungsunion außerdem nicht vorantreiben können, wenn wir uns nicht auch Gedanken über die effektivere Ausgestaltung des fiskal- und wirtschaftspolitischen Handlungsrahmens machen.

Lassen Sie mich nun die Form der ESM-Reform etwas näher beleuchten, bevor ich mich der inhaltlichen Ausgestaltung zuwende.
 
Zwei verschiedene mehr grundsätzliche Reformansätze für den ESM:

Grundsätzlich standen zwei verschiedene Reformansätze zur Diskussion: Auf der einen Seite die Überführung des ESM in den Rechtsrahmen der Europäischen Union (EU). Und auf der anderen Seite seine Weiterentwicklung auf intergouvernementaler Ebene als internationaler Organisation.

Im Dezember 2017 hatte die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Integration des ESM in den EU-Rechtsrahmen vorgelegt. Diese Verordnung sollte auf Artikel 352 AEUV – der sogenannten Vertragsabrundungsklausel – gestützt werden.

Die Meinungen sind geteilt, ob die Integration des ESM tatsächlich durch Sekundärrecht und auf dieser Rechtsgrundlage erfolgen kann. Teilweise wird vertreten, dass dafür vielmehr eine Änderung des Primärrechts erforderlich sei.

Als Ökonom überlasse ich die Antwort auf diese Frage den Juristen. Man könnte den ESM analog zur Europäischen Investitionsbank (EIB) in die EU-Verträge einführen. Die EIB ist eine Institution mit eigenem Kapital, und einem Verwaltungsrat, in dem die Anteilseigner vertreten sind. Die Letztentscheidung würde dabei weiter bei den Mitgliedsstaaten liegen und die Beteiligungsrechte des Bundestags und der anderen Parlamente würden gewahrt bleiben. Ich denke, dass das mittelfristig eine Option sein sollte. Im Moment ist die Zeit jedoch noch nicht reif.

Die Anteilseigner des ESM, die 19 Euro-Länder haben sich ohnehin dazu entschieden, den ESM vorerst auf völkerrechtlicher Basis weiterzuentwickeln. Mancher hätte gerne eine Überführung des ESM in den Rechtsrahmen der EU gesehen.

Lassen Sie mich daher die Möglichkeit nutzen, einige Bedenken an der derzeitigen Struktur des ESM zu zerstreuen.

Erstens, teilweise wird der Rückgriff der EU-Mitgliedstaaten auf Mittel des Völkerrechts als Bedrohung für die sogenannte Gemeinschaftsmethode verstanden. Es wird argumentiert, die durch das Unionsrecht vorgesehenen Entscheidungs- und Gesetzgebungsstrukturen und insbesondere die dem Europäischen Parlament zuerkannte Rolle würde umgangen. Stattdessen würde ein völkerrechtlicher Vertrag in „Hinterzimmern“ verhandelt und den nationalen Parlamenten zur Ratifikation vorgelegt.

Mit Blick auf den ESM überzeugt diese Kritik nicht. Die Gemeinschaftsmethode und die durch das Unionsrecht vorgesehenen Entscheidungsstrukturen können nur greifen, wo das Unionsrecht die Möglichkeit zum Handeln vorsieht.

Wie ich soeben kurz angerissen habe, besteht aber gerade keine Einigkeit darüber, ob eine solche Möglichkeit für die Integration des ESM nach den geltenden EU-Verträgen besteht.

Auch die Hinterzimmer-Rhetorik scheint mir weit hergeholt. Ich habe in den letzten Monaten während der Vertragsverhandlungen zur Änderung des ESM-Vertrages ein ganz anderes Bild gewonnen.

Es ist natürlich richtig, dass Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten den Vertragstext aushandeln. Sie haben dabei aber stets die Position und inhaltlichen Forderungen ihres jeweiligen Parlamentes im Blick behalten und auf dem internationalen Parkett vertreten. Das macht auch Sinn, da die Parlamente nach der Vertragsunterzeichnung vor dessen Ratifikation nach den national vorgesehenen Verfahren beteiligt werden.

In Deutschland ist die Rückanbindung an das Parlament während der Vertragsverhandlungen übrigens auch über verfassungsrechtliche Unterrichtungspflichten der Bundesregierung und Mitwirkungsrechte des Bundestages sichergestellt.

Zweitens, kann ich auch bei der Tätigkeit des ESM kein Demokratiedefizit erkennen. Die Entscheidungsgremien des ESM – der Gouverneursrat und das Direktorium – sind zusammengesetzt aus den 19 Finanzministern des Euroraums beziehungsweise deren Vertretern. Die Finanzminister sind als Mitglieder der Regierungen demokratisch legitimiert und den nationalen Parlamenten gegenüber rechenschaftspflichtig; auch für ihr Abstimmungsverhalten in den ESM Entscheidungsgremien. Eine Reihe nationaler Parlamente verfolgt daher sehr genau, was in den Entscheidungsgremien des ESM entschieden wird und nehmen auf wichtige Entscheidungen Einfluss.

Die demokratische Rückanbindung über nationale Parlamente entspricht auch deren Budgetverantwortlichkeit, da letztlich die Mitgliedstaaten die Haftungsrisiken im Zusammenhang mit ESM-Stabilitätshilfen tragen.

Drittens, der derzeitige Aufbau funktioniert gut, hat sich in der Finanzkrise bewährt und es besteht daher kein Grund zur Eile ihn zu ändern. Die wesentlichen Entscheidungen zu Stabilitätshilfen werden einstimmig beschlossen und erfordern damit die Zustimmung der Vertreter aller 19 Euroländer. Manchmal wird das als schwerfällig kritisiert.

Wenn ich auf die vergangene Finanzkrise zurückblicke, stelle ich jedoch fest, dass das Einstimmigkeitsprinzip den ESM nicht davon abgehalten hat, effizient und rechtzeitig Stabilitätshilfen bereitzustellen. Das Einstimmigkeitsprinzip hat auch gewichtige Vorteile. Es stellt sicher, dass alle Mitgliedstaaten hinter den ESM-Entscheidungen stehen und Verantwortung hierfür übernehmen.

Viertens, der ESM ist alles andere als komplett losgelöst von der Europäischen Union. Verbindungen zwischen dem ESM und der EU sind vielfältig und wichtig. Ich möchte hier insbesondere die enge und gute Zusammenarbeit mit EU-Institutionen und vor allem mit der Europäischen Kommission hervorheben.

Der ESM-Vertrag delegiert eine Reihe von Aufgaben für die Ausgestaltung und Überwachung von Programmen an die Europäische Kommission. Insbesondere kommt der Kommission die Rolle zu für das Memorandum of Understanding, in dem die Politikmaßnahmen bei Programmen festgelegt werden, den Einklang mit dem Unionsrecht zu gewährleisten.
 
Inhaltliche Reformelemente

Nach diesen generellen Ausführungen zur Form der Reform, würde ich gerne zwei inhaltliche Reformelemente näher hervorheben, die Reform der vorsorglichen Kreditlinien und die stärkere Rolle des ESM in zukünftigen Finanzhilfeprogramme.
 
Reform der vorsorglichen Kreditlinien

Wie kam es zu der Reform der vorsorglichen Kreditlinien? Der Ausgangspunkt für diese Reform war, dass die Mitgliedstaaten diese Kreditlinien effektiver gestalten wollten. Bisher ist dieses Instrument ja noch nicht genutzt worden. Obwohl frühzeitige, vorsorgliche Stabilitätshilfen verhindern können, dass aus kleinen Problemen große Probleme werden.

Soweit strukturelle Anpassungen im betroffenen Mitgliedstaat überhaupt notwendig sind, können Reformanforderungen deutlich milder ausfallen als bei den ESM-Darlehen. ESM-Darlehen gehen mit einem umfassenden makroökonomischen Anpassungsprogramm einher.

Zudem sollten in der Regel unter der vorsorglichen Kreditlinie keine ESM-Mittel ausbezahlt werden, da die Kreditlinien nur vorsorglich bereitgestellt werden. Frühzeitige Stabilitätshilfe kann damit nicht nur erfolgsversprechender sondern auch günstiger sein.

Trotzdem zeigt die Erfahrung, dass Mitgliedstaaten diese Finanzhilfen vermeiden, auch wenn Sie am Finanzmarkt unter starken Druck geraten. Während das sicherlich primär politische Gründe hat, zeigt die Evaluierung vergangener Finanzhilfeprogramme aus dem Jahr 2017 auch, dass die vorsorglichen Kreditlinien für die Mitgliedstaaten mit Unsicherheiten verbunden waren; vor allem hinsichtlich der damit zusammenhängenden Konditionalität. Diese Unsicherheit kann mit dazu geführt haben, dass eine vorsorgliche Kreditlinie nie beantragt wurde.

Angesichts der beschriebenen Vorteile der vorsorglichen Kreditlinien, haben die Mitgliedstaaten beschlossen, die erkannten Hindernisse auszuräumen.

Zum einen werden die Zugangskriterien zu den vorsorglichen Kreditlinien klarer definiert. So ist es für die Mitgliedstaaten einfacher abzuschätzen, ob sie die Zugangskriterien erfüllen.

Zum anderen wird klargestellt, wie Konditionalität für die vorsorglich bedingte Kreditlinie PCCL aussehen wird. PCCL ist eine der beiden Formen der vorsorglichen Kreditlinien. Ein Mitgliedstaat, der Zugang zu einer PCCL erhält, wird sich in einem sogenannten Letter of Intent dazu verpflichten, über die gesamte Laufzeit die strikten Zugangskriterien einzuhalten.

Zusätzliche Reformen, die in einem Memorandum of Understanding verankert werden, sind – anders als für andere ESM-Finanzhilfeprogramme – nicht erforderlich. Das räumt weiter Unsicherheit für Mitgliedstaaten aus, die eine die Beantragung einer PCCL in Erwägung ziehen. Und dies macht auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn. Die so gestaltete vorsorgliche Kreditlinie signalisiert dem Markt, dass das Land keine fundamentalen, strukturellen Schwächen aufweist. Dieses Gütesiegel (seal of approval) hilft Marktfinanzierung zu sichern. Und es schützt unbeteiligte Dritte (innocent bystander), also Staaten, die von Ansteckungseffekten anderer Länder beeinträchtigt werden.

Die Zugangskriterien sind so streng formuliert, dass nur Mitgliedstaaten mit gesunden wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen sie erfüllen. Damit und durch die Zusage des Mitgliedstaates die Kriterien für die gesamte Laufzeit einzuhalten, erfüllt dies auch die durch den EuGH im Pringle-Urteil aufgestellte Anforderungen an die europarechtliche Zulässigkeit von Finanzhilfen, genauer deren Vereinbarkeit mit der Nichtbeistandsklausel (Artikel 125 AEUV). Finanzhilfen an einen Mitgliedstaat dürfen hiernach nämlich nicht den Anreiz dieses Mitgliedstaates beeinträchtigen eine solide Haushaltspolitik zu führen.
 
Rolle des ESM in zukünftigen Finanzhilfeprogrammen

Ein weiteres maßgebliches Reformelement ist es die Rolle des ESM in zukünftigen Finanzhilfeprogrammen zu stärken.

Bislang sieht der ESM Vertrag vor, dass viele Aufgaben im Zusammenhang mit der Gewährung von Finanzhilfen an andere Institutionen ausgelagert werden – nämlich an Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds (IWF).

Dies betrifft zum Beispiel die Schuldentragfähigkeitsanalyse vor der Genehmigung eines ESM-Darlehens oder die Aufgabe das Memorandum of Understanding mit dem betroffenen Mitgliedstaat auszuhandeln (d.h., die Reformmaßnahmen, die ein Mitgliedstaat im Gegenzug zur Gewährung von Finanzhilfen zusichert) sowie die Einhaltung dieser zugesicherten Reformmaßnahmen zu überwachen.

In der Zukunft soll der ESM auch selbst bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben beteiligt sein. Neben der Europäischen Kommission, wird in Zukunft auch der Geschäftsführende Direktor des ESM das Memorandum of Understanding unterzeichnen.

Der ESM soll in der Zukunft seine im Lauf der letzten Finanzkrise erworbene Expertise voll einbringen. Dies ist auch wichtig, als es nicht klar ist, inwieweit der IWF an zukünftigen Programmen beteiligt wird. Der IWF hat über die vergangenen Programme hinweg sein finanzielles Engagement reduziert hat und sich zum Schluss nicht mehr am dritten Finanzhilfeprogramm für Griechenland beteiligt.

Außerdem macht es Sinn, den ESM als Gläubigerinstitution zu beteiligen. Schließlich geht es hierbei um Aufgaben, die sicherstellen sollen, dass der Empfängermitgliedstaat am Ende des Tages in der Lage sein wird, seine Schulden beim ESM zu begleichen.

Trotz stärkerer Einbindung des ESM bleibt die Kommission innerhalb von ESM-Finanzhilfeprogrammen in der Zukunft weiter beteiligt, auch um zu gewährleisten, dass ESM Konditionalität mit Unionsrecht vereinbar ist. Darüber hinaus macht es natürlich Sinn weiterhin auf ihre umfassende Expertise in vielen Bereichen, in die die Reformmaßnahmen fallen können, zurückzugreifen.

Wie die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und dem ESM bei der Ausführung dieser Finanzhilfeprogrammaufgaben im Detail aussehen wird, lässt sich in der gemeinsamen Position der beiden Institutionen aus dem November letzten Jahres nachlesen.
 
ESM als Letztabsicherung bei Bankenabwicklungen

Neben den Reformen, die ich detailliert hervorgehoben habe, wird der ESM die Letztabsicherung (backstop) bei Bankenabwicklungen in der Bankenunion übernehmen.

Diese Letztabsicherung ist sinnvoll, falls die Mittel des Abwicklungsfonds SRF nicht ausreichen. Es wird auch hierbei keine zusätzliche finanzielle Belastung für die Steuerzahler geben. Spätestens 2024 soll die Letztabsicherung voll einsatzfähig sein.
 
Ganzheitliches Bild: Euroraumreformen

Die beschriebenen ESM-Reformen lassen sich in die allgemeine Reformagenda des Euroraums einbetten. Diese beinhalten ebenso die Vollendung der Bankenunion. Insbesondere die dritte Säule der Bankenunion fehlt: eine einheitliche Europäische Einlagensicherung.

Es gibt immer noch kontroverse Diskussionen unter den Mitgliedsstaaten. Einige möchten erst die Risikoreduzierung in Angriff nehmen, andere sprechen sich direkt für eine Risikoteilung aus. Aber ich halte es für wichtig, dass wir uns im Rahmen der Bankenunion der europäischen Einlagensicherung annehmen – auch wenn das Thema kontrovers bleibt.

Anfang des Jahres wurde die Hochrangige Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Sie soll einen möglichen Weg zur Einlagensicherung aufzeigen und wird im Dezember einen zweiten Bericht an die Eurogruppe liefern. Auch die neue Präsidentin der EU Kommission hat sich für eine europäische Einlagensicherung ausgesprochen.

Zudem arbeiten die Finanzminister derzeit die Details für ein Euroraum Budget aus. Dies soll die Konvergenz und die Wettbewerbsfähig im Währungsgebiet fördern.
 
Schluss

Lassen Sie mich nun zum Ende kommen.

Ich denke, es ist nicht übertrieben den ESM als „Herzstück der Eurozonenreform“ zu betiteln. Die Arbeit des ESM hat eine entschiedene Rolle in der Überwindung der Eurokrise gespielt.

Die Neuausrichtung des ESM dient zum einen dazu seine Rolle als permanente Rettungs-Institution zu festigen, aber auch, um kleine Feuer schon einzudämmen, bevor sie sich zum Flächenbrand entwickeln. Wir arbeiten derzeit intensiv daran, und mit großer Überzeugung.

Herzlichen Dank.
 
Referenzen:
 
Joint position on future cooperation between the European Commission and the ESM: press release
 
Term sheet on the European Stability Mechanism Reform
 
Term sheet on the Budgetary Instrument for Convergence and Competitiveness

Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. November 2012, Rs. C-370/12, ECLI:EU:C:2012:756
 
Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. September 2016, Rs. C-8/15 P bis C-10/15 P, ECLI:EU:C:2016:701
 
Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 19. Juni 2012, 2 BvE 4/11, ECLI:DE:BVerfG:2012:es20120619.2bve000411
 
Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Einrichtung des Europäischen Währungsfonds, COM/2017/0827 final - 2017/0333 (APP)
 
[1] Ich möchte mich bei Frau Juliana Dahl und Frau Nathalie Lauer herzlich für die hilfreiche Unterstützung bei der Erstellung dieser Rede bedanken.

 

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